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„Freiheit – Gleichheit - Brüderlichkeit…“

Die Hechinger Hannes Reis und Klaus Riester sowie der Junginger Horst Bendix rund vier Wochen 680 Kilometer auf dem Jakobsweg von Cahors in Frankreich bis nach Burgos in Spanien gepilgert – Lebensfreude pur!

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Von links die Jakobspilger Hannes Reis, Werner Bendix, Klaus Riester, Horst Bendix

Eine französische Redensart „Liberta = Freiheit, Egalite = Gleichheit, Fraternite = Brüderlichkeit“ war der Schlüssel zum Erfolg, das konnte man ohne Übertreibung sagen, als sich die drei Jakobspilger am vergangenen Samstag in den frühen Abendstunden auf dem Hechinger Bahnhof verabschiedeten, sich wiederum per pedes auf den Weg nach Hause begaben: Das war nach 680 Kilometern auf dem Jakobsweg durch Frankreich und Spanien pure Lebensfreude, ein großartiges Erlebnis!

Zu viert hatten sie zunächst folgenden Plan, um die lange Pilgerstrecke von Cahors in Frankreich über die Pyrenäen, einem Hochgebirge zwischen Frankreich und Spanien, bis ins spanische Burgos auf dem Jakobsweg zu pilgern, um nächstes Jahr dann Santiago de Compostela und anschließend Finisterre draußen am Atlantik zu erreichen.

Aber schon nach einer Woche musste der Älteste unter den Vieren, Werner Bendix, das Handtuch werfen: Schmerzende Blasen an den Füßen und dazu heftige Knieschmerzen zwangen ihn dann endgültig auf zu geben. Jetzt war es nur noch ein Trio, das aber durch dick und dünn bis zum Ende in Burgos den Pilgerweg ging! Pilgern, das sei allen gesagt, ist kein Honigschlecken!

Der Weg machte dich zu einem richtigen Pilger mit allem, was man halt so darunter versteht: Mit einem acht Kilo schweren Rucksack, das musste passen. Schon nach wenigen Tagen spürte man die Last gar nicht mehr. Pilgern schaffte Gemeinschaft, und Klaus als Dolmetscher, der die französische Sprache fast perfekt spricht, und auch das Englisch gut beherrscht, waren Garanten, dass man in Frankreich zunächst ein Abendessen sowie ein Bett zur Verfügung hatte. Alles wird gut!

Auf dem langen Weg bis nach Burgos wurde das Trio auch zum Bruder und manchmal zur Schwester, denn das Interesse an internationaler Gemeinschaft war groß, als zum Beispiel ein gestandenes Mannsbild, Gustavo aus Mexico-Stadt, oder die schwergewichtige Andrea aus Budapest, oder der leichte Floh aus Finnland, Koyen, ein Stück des Weges mit uns teilten. Man sah weit über den Tellerrand hinaus, in eine Welt, wo jeder, jeden versteht!

Wo zum Beispiel in Lascabanes vor der Eucharistiefeier den Pilgern eine symbolische Fußwaschung vom Abbé vorgenommen wurde. Eine stilvolle, noble Geste, die alle tief im Herzen berührte, oder die Marienlichterprozession beim Aufgang zu Annes Gite (Herberge) am Abend in Moissac, oder in einer ehemaligen Priesterschule bei zwei älteren Damen, wo man das Essgeschirr selbst nach guten Abendmahl abspülen musste, oder in der Baskenmetropole Ostabat mit feinem super Käse und feurigem, dunklen „Stierblut“ mit einem älteren Basken mit Baskenmütze, die er selbst im Gastraum nicht auf die Seite legte.

Für uns drei war es wiederum ein Muss an einer Gabelung des Lebenspfades, aus Gründen des Glaubens oder der Selbstfindung, um Abstand zu gewinnen und sich wiederum neu ausrichten zu können. Man sah aber auch Herbergen (Alberguas), das soll hier nicht verschwiegen werden, mit Schimmelpilz an den Wänden, wo es ganz einfach hieß, Augen zu und durch! Ganz zu schweigen von den Nassräumen!

Man lebte richtig auf und sprach schon von einem kleinen Camino-Wunder, als zum Beispiel die letzten drei Schlafplätze beim Schriftsteller „Coelho“ ergattert sowie die Begleichung der Schulden einem jeden selbst überlassen wurden. Oder in Saint-Jean-Pied-de-Port, wo für viele Pilger der „Camino“ jetzt erst richtig begann mit einem langen, brütend heißen Tag, der es auf den steilen Serpentinen in sich hatte, und am andern Tag die lange Bergetappe bis zur Pyrenäenüberquerung einige Tropfen Schweiß abverlangten.

Aber zu diesem Zeitpunkt herrsche Nebel am Pass, erst als man im spanischen Roncevalles auf der anderen Seite des Gebirges war, lichtete sich dieser. Eine beeindruckende Abtei mit einem enormen Gebäudekomplex tat sich hier auf. Im Kapitelsaal war besonders das Grabmal König Sancho VII. von Navarra und seiner Gemahlin für die drei Hechinger interessant. Man holte sich einen Pilgerstempel und verließ Ronchevalles eiligen Schrittes gegen Espinal hin.

Oder die mächtige Zitadelle und Kathedrale in Pamplona, im Herzen der Stierkampfarena in der Region Navarra, mit einem barocken Rathaus, das durch viele internationale Fahnen geschmückt ist. Der „Camino Frances“ wurde durch das Weinbaugebiet Rioja fortgesetzt und in Logrono mit einem enttäuschen Abendessen beendet: Anstatt den leckeren Tapasgerichten, nur Fast-Food! in den Straßencafés, fast wie in Amerika!

Die leckeren Baguettes aus den kleinen Bars, Bäckereien oder Lebensmittelläden sorgten dafür, dass man nicht mit hungrigem Magen durch das herrliche, weite Land pilgerte, nein, viel wichtiger war das Trinken am Tag, um die lange Wegstrecke zu bewältigen, die man sich vorgenommen hatte.

Da musste auch das ein oder andere Mal hart auf die Zähne gebissen werden, als der Tag nach zehn Stunden endete, man hundemüde aufs Nachtlager sank, wie ein Murmeltier bis am anderen Morgen um sechs Uhr durchschlief. Das war immer unsere Zeit zum Aufstehen, denn schon um 7 Uhr waren wir bei aufgehender Sonne im herrlichen Spanien auf den Wegen und weiten Feldern mit anderen Jakobspilgern unterwegs.

Dann war endlich das unerwartete eingetroffen: Noch wenige Kilometer nach rund annähernd vier Wochen, zum Teil zähen 680 Kilometern bis nach Burgos, einer 163 000 Einwohner zählenden Stadt, die zu den schönsten des ganzen „Camino Francés“ zählt.

Nachdem man sich auf dem Bahnhof „Rosa de Lina“ die Fahrscheine zur Heimreise mit dem Nachtzug besorgt hatte, fuhr man mit dem Stadtbus ins Zentrum von Burgos zur gigantischen und herrlichen, barocken Kathedrale. Eng verbunden ist der Name El Cid, er ist in Burgos auch begraben und der Prototyp des kastilanischen Ehrenmannes.

Um morgens um 9.30 Uhr fuhr der Nachtzug bei angenehmem, herrlichem Sommerwetter mit 25 Grad in Paris Austerlitz ein, und mit dem französischen Schnellzug erreichte man um die Mittagszeit in drei Stunden die Landeshauptstadt von Baden-Württemberg, Stuttgart. Lassen wir Hannes Reis, den Vorsitzenden der Hohenzollerischen Jakobusgesellschaft, noch zu Wort kommen: „Der Camino ist kurz gesagt für mich poetisch, spirituell, sinnlich, humanistisch und universal, international!“ Dem ist nichts mehr hinzuzufügen!

Eine tolle Pilgerreise ging zu Ende, die nächstes Jahr, vielleicht, vielleicht? am nordwestlichen Atlantik entlang, nach rund 500 Kilometern in Santiago de Compostela und in Finisterre endgültig enden soll. Muchos saludos! 

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Klaus Riester vor einem Panoramabild unmittelbar vor den Pyrenäen

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Klaus Riester und Hannes Reis im Gleichschritt

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Klaus Riester und Hannes Reis vor dem Stein von Gibraltar, wo sich drei Jakobswege vereinigen: Via Podiensis, Via Lemovicensis, Via Turonensis

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Die drei Jakobspilger Klaus Riester, Hannes Reis, Horst Bendix auf dem Pyrenäenpass bei Nebelwallen in rund 1400 Meter Höhe

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Klaus Riester (links) und Hannes Reis vor dem "HZ-Bus" mit der berühmten Jakobsmuschel

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Die Weinquelle bei Estella/Ayegui kurz vor dem Rioja-Weinland, wo man kostenlos einfach einen guten Schluck Wein neben Wasser genießen konnte

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